Wer bin ich ohne meine Dinge?

Veröffentlicht am Kategorisiert in Persönliches
Kofferstapel

Zuletzt aktualisiert am 10. November 2023 von Mrs. Coasting to FIRE

Uli Pauer, Aufräumcoach und Minimalistin aus Wien, hat im Rahmen ihrer Blogparade eine spannende Frage aufgeworfen: „Wer bist du ohne deine Dinge?“ Dann legen wir direkt los mit meinen Gedanken zur Frage, wer ich ohne meine Dinge bin.

10 Umzüge in 20 Jahren: meine Learnings

Ich bin in meinem Leben umgezogen, sehr oft: Insgesamt 10 Mal über einen Zeitraum von 20 Jahren, also in etwa alle 2 Jahre. Bis auf einen Full-Service-Umzug, den mir mein damaliger Arbeitgeber bezahlt hat und einen Umzug, wo das Kistentragen eine Umzugsfirma übernommen hat, habe ich alle Umzüge in Eigenregie mit Familie und Freunden gestemmt. Das heisst also schleppen, viele Kisten schleppen. Und da ich am liebsten ganz oben wohne und nur selten einen Fahrstuhl hatte, hieß das meistens viele Kisten viele Treppen erst herunter und dann wieder hoch tragen.

Da kann frau dann schon mal ins Grübeln kommen, wenn frau die gleichen Sachen zum dritten, vierten oder fünften Mal durch die Gegend trägt und seit dem letzten Umzug eigentlich nie benutzt hat. Irgendwann bei einem dieser Umzüge kam mir daher die Frage: brauche ich das alles wirklich?

Und: will ich es wieder bis zum nächsten Umzug aufbewahren, um es dann beim nächsten Umzug erneut die Treppen hoch und runter zu schleppen? Oder um es anders zu sagen: was würde sich ändern, wenn ich diese Dinge nicht mehr hätte?

Umzugskartons
Bild vom letzten Umzug, schon in der neuen Wohnung und nach dem Ausmisten

So ein Umzug ist eine gute Gelegenheit, sich von Dingen zu trennen und letzteres habe ich bei meinem letzten Umzug vor 7 Jahren getan. Ich habe mir eine Woche Urlaub genommen und ganz gründlich ausgemistet. Hier in Berlin gibt es dank Facebook viele Verschenken-Gruppen, wo frau sogar angefangene Kosmetik noch innerhalb von Minuten los wird. Es ist hier in Berlin auch üblich, gut erhaltene Sachen einfach an die nächste Strassenecke zu stellen. Verkaufen via den bekannten Kleinanzeigen-Portalen geht natürlich auch immer.

All das habe ich beim letzten Umzug gemacht, ich habe massiv aussortiert und viele Dinge verschenkt oder verkauft. Und das, obwohl ich mich sogar ein klein wenig vergrößert hatte, auch wenn es nur 7qm mehr waren. Das Gefühl, was ich danach hatte, war Erleichterung und Befreiung. Sowohl im Übertragenen als auch im tatsächlichen Sinn.

Sonderfall Bücher

Früher war mein Traum, mein eigenes Blibliothekszimmer zu haben. Mit so einem schönen Lesesessel und Bücherregalen an allen Wänden von oben bis unten. Aber wie oft liest man diese Bücher, wenn man sie ausgelesen hat?

Historische Bibliothek in Görlitz
Historische Bibliothek in Görlitz

Ich lese die meisten Bücher ein einziges Mal, danach stehen sie üblicherweise herum und stauben im Regal ein. Das sieht zwar hübsch aus, nimmt am Ende aber nur eine Menge Platz weg. Insbesondere wenn man in einer Stadt wohnt, wo die Immobilienpreise immer weiter steigen und einfach umziehen nicht wirklich eine Option ist.

Ich hätte es mir früher nie vorstellen können, dass ich das mal sage, aber man soll ja bekanntlich niemals nie sagen: inzwischen lese ich fast ausschließlich nur noch eBooks auf meinem iPad. Wenn ich unterwegs weiterlesen will, kann ich das auf meinem iPhone tun. Weil: die Kindle-App synchronisiert sich zwischen iPad und dem iPhone automatisch und mein iPhone hab ich ja ohnehin immer an der Frau. Es ist also wunderbar praktisch und beansprucht auch keinen zusätzlichen Platz in unserer recht kleinen 2,5-Zimmer-Wohnung.

Auch im Urlaub ist es unglaublich praktisch: wenn ich ein Buch ausgelesen habe, gebe ich es zurück, lade mir ein neues Buch herunter und kann sofort weiterlesen. Es gab Urlaube, da habe ich 4 Bücher in 3 Wochen gelesen. Ohne eBooks hätte ich diese ganzen Bücher also erst mit in den Urlaub mitnehmen müssen, um sie danach wieder mit nach Hause zu bringen, damit sie dann im Bücherregal stehen und vermutlich nie wieder von mir angefasst werden. Das erscheint mir persönlich irgendwie nicht (mehr) die beste Idee, damit umzugehen.

Wenn ich heute doch noch physische Bücher lese, lege ich sie nach dem Auslesen meistens wieder an die nächste Strassenecke oder gebe sie an Freunde weiter. So kann sie der nächste lesen und ich habe ein Buch weniger zuhause. Hat ja auch was von Nachhaltigkeit, so müssen insgesamt auch weniger Bücher produziert werden.

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Dinge vs. Erlebnisse

Ich bin tatsächlich jemand, der lieber Geld für Erlebnisse als Dinge ausgibt: Kino, Urlaub und Reisen, lecker Essen gehen, Zeit mit Freunden im Café, idealerweise im Sommer mit Kaffee und einem leckeren Stück Kuchen. Oder einfach nur auf dem Balkon sitzen und quatschen bei Wasser aus dem Wasserhahn und einem Eis aus dem Supermarkt. Da sind die „Dinge“, die mir Spass machen.

Ganz ohne physische Dinge geht es natürlich nicht, soviel ist klar. Man möchte ja schliesslich nicht auf dem harten Boden schlafen und wenn man ab und an mal zuhause kochen möchte, braucht man eine eingerichtete Küche und idealerweise einen Tisch mit Stühlen dazu. Und vielleicht sitzt es sich während des Fernsehabends auf einer Couch gemütlicher als auf dem reinen Dielenboden.

Mir persönlich ist aber nicht wichtig, dass es ein Designer-Tisch eines bekannten Labels ist. Es muss funktional sein und gute Qualität, in der Regel lande ich dann bei einem bekannten schwedischen Möbelhaus.

Ich definiere mich äußerst selten über Dinge. Beispiel gefällig? Wenn ich Autos hatte, dann waren es immer Gebrauchte. Ich hatte einen Trabant, einen älteren Fiat 500 und einen Renault Megane. Alles ganz sicher keine Traumautos, aber sie haben mich von A nach B gebracht, meistens auch sehr zuverlässig.

Lila Trabant
Sommerurlaub 2021: Um alte Erinnerungen zu beleben, habe ich einen Trabant gemietet. Mein erstes Auto war ein Trabant, aber leider nicht lila und schon gar kein Cabrio.

Hier noch ein Beispiel: Im August diesen Jahres haben wir das erste Mal einen Vanurlaub gemacht (hier findest du den dazugehörigen Monatsrückblick). Ein Van ist meiner Meinung nach ein Inbegriff für wenig Platz, um viele Dinge mitzunehmen. Wir hatten daher jeder einen Handgepäckkoffer Klamotten dabei und ein paar Lebensmittel. So sind wir in den Van eingezogen, um dann eine Woche lang darin zu wohnen, zu reisen, zu schlafen. Und was soll ich sagen: es hat uns an nichts gefehlt.

Mein Fazit

Im Gegensatz zur Blogparaden-Veranstalterin Uli bin ich keine Minimalistin. Ich kann gut ausmisten und Dinge weggeben und tue das auch immer wieder. Wenn ein Schrank oder Regal voll ist, wird nicht einfach ein neues Regal gekauft, um mehr Dinge lagern zu können. Stattdessen wird ausgemistet und es werden Dinge weggeben, verkauft oder weggeworfen, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt. So füllt sich unsere Wohnung nicht allzu sehr, auch nicht nach 7 Jahren hier wohnen, davon die letzten 3,5 Jahre zu zweit.

Ich habe irgendwo mal gehört: „Wer loslässt, hat zwei Hände frei.“ Das kann ich nur bestätigen! Diese Erleichterung, alle diese Dinge physisch und emotional loszulassen. Und sie in den meisten Fällen sogar noch einem zweiten Leben zuzuführen anstatt sie wegzuschmeissen. Was für eine Befreiung!

Ich verfolge Reportagen und Dokus über Minimalismus mit Interesse und Faszination, weiss aber auch, dass es nichts für mich wäre, nur mit einem Minimum an Dingen auszukommen.

Nur bei Erinnerungsstücken von Reisen oder Erlebnissen tue ich mich schwer, die wegzugeben, das gebe ich zu. Aber auch das habe ich schon getan. Einfach weil ich den Platz brauchte. Und am Ende war ich hinterher immernoch die gleiche Person wie vorher, nur mit weniger Dingen in der Wohnung.

„Wer loslässt, hat zwei Hände frei“

(Quelle nicht eindeutig zu ermitteln)

Lust auf mehr? Dann lies mal das hier:

8 Kommentare

  1. Liebe Nadine, was für ein großartiger Artikel! Vielen Dank, dass du meinem Blogparade-Aufruf gefolgt bist. Genialer Text und absolut wunderbare Bilder. Ich liebe deine Bilder!
    Was den „Sonderfall Bücher“ betrifft: Das Kapitel hätte auch ich genauso schreiben können. Auch ich hatte einmal den Wunsch, eine Bibliothek zu besitzen oder zumindest eine Bücherwand. Und auch ich lese jetzt fast ausschließlich am E-Book-Reader. Wenn es Bücher nicht als E-Book gibt, dann hole ich sie mir aus der Bücherei bzw. gekaufte und gelesene Bücher gebe ich auch einfach weiter.
    Herzlichen Dank nochmals für deinen inspirierenden Text! Ja, wir bleiben auch ohne Dinge dieselbe Person wie zuvor!
    LG – Uli

    1. Ja, das mit den Büchern ist wirklich ein Sonderfall. Spannend, dass wir auch da eine Gemeinsamkeit haben, Uli. In die Bibliothek bin ich tatsächlich auch immer wieder gegangen, am Ende siegte dann aber bei mir die Bequemlichkeit und das e-book 😉

  2. Die E-Reader sind wirklich eine geniale Erfindung. Wenn man bedenkt, dass wir zu zweit früher mindestens 4 Bücher mit in den Urlaub geschleppt haben, ist das ein riesen Fortschritt. Ich habe zwar immer gerne in den Hotelbibliotheken getauscht aber die gibt es ja nicht immer oder es sind keine interessanten Bücher darin. Trotzdem liebe ich das Tauschen von klassischen Büchern, so liest man auch immer mal wieder was unerwartetes und verlässt eingetretene Pfade.

    1. Ich habe ja auch immernoch gern „echte Bücher“, so ist es ja nicht 😉 Hier in Berlin legen Nachbarn immer wieder ausgelesene Bücher auf die Straße und ich gucke immer, ob was spannendes dabei ist. Und klar, an offiziellen Büchertauschbörsen kann ich natürlich auch überhaupt nicht vorbei gehen….

  3. Toller Artikel, Nadine! Und – so viele deiner Gedanken begleiten auch mich. Allerdings bin ich in meinem Leben nur zweimal (!!) umgezogen. Na … 2.5 mal :-). Und – ich bin ein echtes Eichhörnchen (inkl. der Herausforderung manches nicht wiederzufinden.
    Ich beschäftige mich auch immer mal wieder mit Minimalismus (ist überhaupt nichts für mich, fasziniert mich aber), habe mich auch mal mit Interesse in Project 333 by Courtney Carver eingelesen … Während der anfänglichen Corona-Zeit bin ich wahrscheinlich gut damit ausgekommen 😂😇😂.
    Aber – long story short – ich kann mich einfach nicht trennen. Ich möchte gern. Alles was du sagst – die Erleichterung, die Befreiung … empfinde ich auch, wenn ich dann doch mal etwas angehe. Aber – bis ich es tue – was für ein Angang. Und – von 10 Sachen raus aus den Schränken landen 7 wieder im Schrank und … werden dann endlich nach Jahren (manchmal nur kurzfristig) genutzt. Und dabei bin ich völlig bei dir: #collectmemoriesnotthings … Ich fand in der Vergangenheit längere Geschäftsreisen auch immer mal befreiend. Ein Koffer – sonst nix. Und mir hat dank eReader etc auch nichts weiter gefehlt. Immerhin kann ich sagen, dass ich bei der Auflösung meines Elternhauses – auch aus Respekt vor meinem Mann, der mit all meinen Dingen leben muss – mich sehr zurückgenommen habe. Manches habe ich einfach fotografiert (oder sogar gefilmt) … um die Erinnerung daran zu behalten, mich aber nicht mit den Dingen weiter zu belasten. Funktioniert tatsächlich und überraschenderweise gar nicht so schlecht.
    Zur Rechtfertigung vor mir selbst kann ich sagen: Es gibt Klamotten, die ziehe ich seit 20 Jahren in Phasen immer wieder mal an und finde sie großartig. Aber – ich habe trotzdem zu viele 😇.
    Herzliche Grüße ❤️

    1. Liebe Steffi! Ich kann dich gut verstehen! Wenn man anfängt, Dinge wegzugeben, fällt es anfangs nicht immer leicht. Ich habe das auch üben müssen und kann nur aus eigener Erfahrung sagen: es wird leichter mit jedem Mal, wenn man es dann doch wagt 🙂 Und was ich vielleicht auch noch sagen kann: ich habe die wenigsten Dinge vermißt, die ich weggegeben habe. Vielleicht hilft das?

      Die Idee, Dinge zu fotografieren und sie dann wegzugeben, finde ich auch ganz wunderbar, das ist eine schöne Zwischenlösung. Und zu den Klamotten kann ich nur sagen: viele Sachen kommen dann nach 20 Jahren auch wieder in Mode. Genaugenommen sparst du ja dann wieder Geld 😉 Aber nein, mal im Ernst: ich finde, den ein oder anderen Spleen darf man dann schon haben, die habe ich auch. Vielleicht nicht Klamotten, aber irgendwie sammmeln sich dann doch immer wieder Taschen bei mir an, obwohl ich genau weiss, dass ich doch in 98% der Fälle Rucksäcke benutze….

  4. Liebe Nadine,
    beim Lesen Deiner Erfahrungen hatte ich den Eindruck, dass Du eigentlich schon richtig minimalistisch unterwegs bist! Minimalist zu sein heißt ja nicht, möglichst wenig Dinge zu besitzen. Es geht vielmehr darum, sich nicht von den Dingen abhängig zu machen bzw. zu verhindern, dass uns Materielles von Wichtigerem im Leben abhält, z.B. schönen Erlebnissen mit unseren Lieben.
    Von daher: Mach genau weiter so 🙂
    Herzliche Grüße
    Rebecca
    Frei-mutig

    1. Oh, das ist eine interessante Wahrnehmung liebe Rebecca. Vielleicht gibt es auch unterschiedliche Definitionen von Minimalismus? Ich lese gern Ausgabenberichte von verschiedenen Frugalisten-Bloggern, z.B. Oliver von den Frugalisten und im Vergleich dazu leben wir quasi königlich. Ich sage ja immer, ich habe minimalistische Ansätze, damit kann ich. mich gut identifizieren. Neulich habe ich irgendwo gelesen „Don´t buy things for your things“, das fand ich nochmal einen guten Reminder, sich nicht die Wohnung vollzustellen…

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